Wie in jeder globalen Großstadt sind die Straßen von Lagos ständig verstopft. In Nigerias wirtschaftlicher Hauptstadt kann ein Bluttransport bis zu 24 Stunden dauern.

Joseph ist ein so genannter „Blood Rider“: Auf seinem Motorrad fährt Joseph ein halsbrecherisches Rennen gegen die ZeitBlood Rider». Er riskiert sein Leben auf seinen atemberaubenden Fahrten durch den dichten Verkehr: Autos, Minibusse und Fußgänger. Ständig mit einem Auge auf dem Navi liefert er die dringend erwartete Fracht: Blut für die Geburtsabteilung.


Deborah liegt in den Wehen.
Sie braucht eine Transfusion.
Kommt Joseph rechtzeitig?

Regie: Jon Kasbe
Produktion: Kristen Lewis, April Hayes, Jon Campbell
Kameraführung: Jon Kasbe, David Bolen
Bearbeitung: Jim Hession, Jon Kasbe, Federico Conforti
Musik: Nathan Halpern, Chris Ruggiero
Exekutivproduktion: Michael Tabtabai
Postproduktion: Christo Arsenio
Ton: Paul Hsu
Kalibrierung: Seth Ricart
Vielen Dank: LifeBank, Google, Jodie Clifford
Übersetzung, Untertitelung: Gabriele Gelormino, Natalie Dietrich (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften)

Interview

Jon Kasbe | 99.media

Jon Kasbe Regisseur

„Wir filmten die ‚Blood Riders‘ mit Blick gegen die Fahrtrichtung. Wir fuhren auf verschiedenen Motorrädern und klammerten uns mit den Beinen am Motorrad fest.“
  • Kannst du uns etwas über dich erzählen, Jon?


Ich bin ein australisch-indischer Regisseur und Kameramann. Mein Debütfilm, When Lambs Become Lions, war Empfänger des Dokumentarfilmfonds des Sundance Institute im Jahr 2017, Preisträger in der Kategorie „Bester Schnitt“ und Kandidat für zwei IDA Documentary Awards in den Kategorien „Beste Regie“ und „Bester Schnitt“. Meine Kurzfilme wurden weltweit an Festivals wie SXSW, Hot Docs, Sheffield Film Festival usw. gezeigt.

Blood Rider | 99.media
  • Wie hast du von der Blutknappheit in Nigeria erfahren und wie ist dieses Projekt zustande gekommen?


Nigeria hat die vierthöchste Müttersterblichkeit der Welt. Ich war schockiert, als ich erfuhr, dass ein entscheidender Faktor die Schwierigkeit ist, Blut bei Bedarf in die Krankenhäuser zu liefern. Blutspenden werden in Nigeria stigmatisiert, weil geglaubt wird, dass sie gefährlich sind. Deshalb gibt es einen dramatischen Mangel an Blut. Zudem wird es zentral in Blutbanken und nicht in lokalen Krankenhäusern gelagert. Auch führen Verkehrsinfarkte zu nicht planbaren und extrem verzögerten Lieferungen. Es kann bis zu 24 Stunden dauern, bis das Blut das Krankenhaus erreicht, in dem es benötigt wird.


LifeBank, ein Kurierdienst für Bluttransporte, ist dabei, die Lieferfristen drastisch zu verkürzen, indem es Echtzeit-Navigationsdaten einsetzt, um Blutbanken, Krankenhäuser und erfahrene Motorradfahrer, die sogenannten „Blood Riders“, miteinander zu verbinden.

Die Kombination aus dem hochdringlichen Thema der Müttersterblichkeit und der überwältigenden Spannung, welche die „Blood Riders“, die im Eiltempo lebensrettende Hilfsgüter liefern, bietet, entsprach meinem Ethos des Filmemachens. Außerdem wirkte ich mehrere Jahre lang an vier Projekten in Kenia und einem in der Zentralafrikanischen Republik mit, so dass ich mich der Region sehr verbunden fühlte. Ich musste ständig darüber nachdenken. Deswegen habe ich diese Gelegenheit ergriffen.

Blood Rider | 99.media
  • Der Film findet ein unglaubliches Gleichgewicht zwischen der frenetischen Energie der „Blood Riders“ und den langsameren, ruhigeren Momenten in Häusern und Krankenhäusern. Erzähle uns, wie der Dreh ablief.


Ich wusste, dass der Prozess der Vertrauensbildung, des Beziehungsaufbaus und der darauffolgenden Dreharbeiten nicht überstürzt werden konnte. Die Entwicklung und Planung dauerten Monate. Unsere Dreharbeiten zogen sich über vier Wochen hin und wir mussten viele Hindernisse überwinden.

Einerseits filmten wir auf Motorrädern, die sehr schnell fuhren und die wir nicht zum Abbremsen bringen konnten. Wir filmten die „Blood Riders“ mit Blick gegen die Fahrtrichtung. Wir fuhren auf verschiedenen Motorrädern und klammerten uns mit den Beinen am Motorrad fest. So konnten wir die Kamera frei bedienen. Diese Methode ermöglichte es uns, mit den plötzlichen scharfen Kurven und Geschwindigkeitsänderungen umzugehen, welche die „Blood Riders“ im hektischen Verkehr oft machten. Jede Fahrt war chaotisch, wackelig, ungewiss und einzigartig. Diese „Blood Riders“ setzten ihre eigene Sicherheit aufs Spiel, um einer anderen Person in Gefahr zu helfen.

Andererseits filmten wir auch in unmittelbarer Nähe von Frauen, die in den Wehen lagen. Wir mussten also penibel leise und einfühlsam sein sowie ihre Grenzen und Privatsphäre respektieren.

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  • Du erzählst die Geschichte „aus beiden Perspektiven“: Du filmst sowohl Joseph, der Blut liefert, als auch Deborah, die in den Wehen liegt. Wie kam es dazu?


LifeBank stellte den Kontakt zu den Krankenhäusern her, zu denen sie regelmäßig Blut liefern. Wir begannen, schwangere Frauen zu treffen, die in den nächsten zwei bis sechs Wochen ein Kind erwarteten. 10 der 40 Frauen, die wir getroffen haben, fühlten sich wohl, gefilmt zu werden und erklärten sich bereit, an unserem Projekt teilzunehmen. Es war uns wichtig, den individuellen Weg der schwangeren Frauen auf unabhängige Weise darzustellen, anstatt sie als anonyme Personen zu präsentieren, die gerettet wurden. Wir verbrachten also viel Zeit damit, Filmaufnahmen mit jeder einzelnen Frau zu machen, lange bevor die Geburt begann. Einen Monat lang pendelten wir zwischen dem Krankenhaus und den Wohnungen der Frauen und warteten geduldig auf den großen Moment. Wir verpassten einige Geburten um Minuten und filmten andere, die glücklicherweise reibungslos verliefen und keine zusätzlichen Blutkonserven erforderten.


Der Zufall wollte es, dass der „Blood Rider“ Joseph Blut lieferte, als Deborah, eine der gefilmten Mütter, es dringend brauchte. Die Kreuzung ihrer Wege bildete die Grundlage für diese Geschichte.

 

Blood Rider | 99.media
  • Was sind nun deine Pläne?


Ich habe gerade einen neuen Dokumentarfilm über einen Roboter fertiggestellt, der 2022 erscheinen wird.

  • Möchtest du ein paar Worte zu 99 und zur Untertitelung deines Films in verschiedenen Sprachen sagen?


Ich schätze es sehr, dass 99 Filme für andere Kulturen und Sprachen zugänglich macht. Das ist so wichtig, wenn man versucht, ein ganzheitliches Gespräch über diese Themen zu führen.

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