In Mongolien geniesst Sumo in Sport-Kreisen einen hohen Status. In den letzten dreissig Jahren haben Kämpfer aus dem „Land mit dem ewig blauen Himmel“ in Japan viele Erfolge gefeiert. Seit Beginn des Jahrhunderst bekamen fünf Mongolier den Titel des yokozuna – die höchste Stufe der Sumo-Leiter – im Vergleich zu nur einem Athlet aus Japan.

In Ulaanbaatar traniert die junge Tuvsho sehr hart. Sie träumt davon ein grosser Champion zu werden und weigert sich, die Schranken, die Frauen im professionellen Sumo-Sport auferlegt werden, zu akzeptieren. Tuvsho will um jeden Preis „brillieren“ und ihren Namen in der Hall of Fame des mongolischen Sumo verewigen.

Regie: George Thomson und Lukas Schrank
Mit Tuvshinjargal Bum-Erdene
Kameraführung: David Rusanow (Mongolei) / David Woo, Felicity Tillack (Japan)
Produktion: Enkhtsag Damdinjav
Bearbeitung: Chris Ward
Musik: Oliver Peryman
Ton: Nick Ryder
Produktion: Visitor Studio, Sarah Chinn
Untertitelung: Jacoba Denker, Esther Betschart, Sonja Schneider (ZHAW), Jodie Clifford

Interview

Lukas Schrank George Thomson | 99.media

Lukas Schrank & George Thomson Regisseure

„Tuvsho ist unglaublich. Sie ist extrem sanft und spricht leise, aber beim Wettkampf ist sie ziemlich furchteinflößend.“
  • Lukas, die regelmäßigen Zuschauer·innen von 99 kennen dich bereits von „Hilferufe aus dem Nirgendwo“, einem außergewöhnlichen animierten Kurz-Dokumentarfilm. Kannst du uns euch beide trotzdem kurz vorstellen?


Wir sind Lukas Schrank und George Thomson, und wir kennen uns seit unserem dritten Lebensjahr!

Wir arbeiten zusammen als Autor·innen- und Regisseur·innen-Duo unter dem Namen „Visitor’“, mit Standorten in Melbourne und London. Unsere Zusammenarbeit begann eher als Designstudio, hat sich im Laufe der Jahre aber irgendwie in Richtung narrativer Arbeit verschoben.

Tuvsho | 99.media
  • Überraschenderweise war dieser Kurz-Dokumentarfilm ursprünglich … ein Musikvideo. Erzähl uns davon.


Ja, wir wurden eingeladen, ein Low-Budget-Konzept für einen Track von Safia, einem australischen elektronischen Musiktrio, zu entwickeln. Wir hatten es satt, Low-Budget-Musikvideos zu drehen, also dachten wir, wir schlagen einfach etwas vor, das wir wirklich machen wollen.

Wir haben über das Konzept eines dokumentarischen Musikvideos nachgedacht und wie wir die Geschichte einer Person erzählen könnten, die noch nie wirklich auf der Leinwand gezeigt wurde. George hatte zuvor in der Mongolei gearbeitet und kannte dort einen Produzenten, Enkhtsag Damdinjav. Während unserer Recherche sind wir auf einen Zeitungsartikel über Tuvsho gestoßen, und nur wenige Minuten später hatte Enkhtsag sie am Telefon. Drei Wochen später waren wir in der Mongolei und haben ein Musikvideo für Safias Song „Resolution“ gedreht.

Während der Dreharbeiten wurde uns klar, dass es eine größere Geschichte zu erzählen gibt. Also blieben wir mit Tuvsho in Kontakt und filmten sie ein paar Monate später bei einem Turnier in Osaka.

Außerdem gibt es etwas sehr Befriedigendes daran, dem Publikum den Teppich unter den Füßen wegzuziehen, wenn sie es am wenigsten erwarten …
  • Tuvsho beeindruckt durch ihre Entschlossenheit. Gleichzeitig ist sie ein junges Mädchen, das mit ihren Freundinnen Karaoke singen geht und ihrer Familie sehr nahe zu stehen scheint. Welchen Eindruck hat sie bei dir hinterlassen?


Tuvsho ist unglaublich. Sie ist extrem sanft und spricht leise, aber beim Wettkampf ist sie ziemlich furchteinflößend. Wie viele Athlet·innen oder Menschen mit einer besonderen Fähigkeit hat sie etwas Magnetisches an sich. Sie hat eine gewisse Ausstrahlung und stille Selbstsicherheit, die hoffentlich auch im Film spürbar wird.

Sie ist ihrer Familie sehr verbunden – und trainiert derzeit ihren jüngeren Bruder, der auch im Film vorkommt, um ihn auf den Sumoring vorzubereiten.

  • Sumo ist in der Mongolei sehr beliebt. Frauen dürfen jedoch keine Profis werden. Wie geht Tuvsho mit dieser Situation um?


Sie scheint es zu akzeptieren und gleichzeitig leise dagegen anzukämpfen. Die Regeln des Sumos stammen aus alten japanischen Traditionen, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich das ändern wird. Glücklicherweise hat der Amateursport Sumo eine große internationale Gemeinschaft und sich zu einer eigenständigen Sportart entwickelt.

Tuvsho | 99.media
  • Kommen wir zum Ende des Films. In der letzten Szene baust du die Spannung langsam auf, als sich Tuvsho einem wichtigen Kampf nähert. Sie betritt den Ring, stellt sich ihrer Gegnerin, der Schiedsrichter startet den Kampf und dann … schwarzer Bildschirm, Ende! Warum hast du dich für diese Entscheidung entschieden, die wahrscheinlich viele Zuschauer·innen frustriert?


Das Ende war von Anfang an geplant. Wir fanden, dass ein Ende mit einem Sieg oder einer Niederlage die Geschichte in einer Weise abschließen würde, die dem Umstand nicht gerecht wird, dass Tuvsho noch sehr jung ist und dies erst der Anfang ihrer Geschichte ist. Außerdem gibt es etwas sehr Befriedigendes daran, dem Publikum den Teppich unter den Füßen wegzuziehen, wenn sie es am wenigsten erwarten …

  • Während der Kämpfe lässt du Raum für natürliche Geräusche. Wir hören die Hände, die auf die Haut schlagen, das Atmen der Kämpfer·innen … Kannst du uns etwas über deinen Ansatz in Bezug auf den Ton in diesem Film erzählen?


Im Moment ist es im Kurz-Dokumentarfilm oft der Trend, Interviewschnipsel als Voiceover zu verwenden, kombiniert mit Illustrationsaufnahmen und Musik. Das funktioniert, aber wir wollten etwas ein bisschen anderes machen und das Publikum stärker im Moment verankern.

Die Trainingssequenzen wurden daher bewusst so gestaltet, dass sie lebendig und voller „Menschlichkeit“ sind. Leider war der während des Drehs aufgezeichnete Ton schrecklich … Aber unser Sounddesigner, Nick Ryder, hat wahre Wunder gewirkt, indem er ungenutzte Tonfragmente als Geräuscheffekt verwendet hat.

Tuvsho | 99.media


Meine Heimat“ von Sarah Baril Gaudet hat mich wirklich berührt. Es ist meditativ, fesselnd und wunderschön.

Ich finde es faszinierend, wie Film – ein über 120 Jahre altes Medium – uns immer noch in Geschichten transportieren und uns in Leben eintauchen lassen kann, die so anders sind als unsere eigenen, und sie dennoch völlig nachvollziehbar macht.

„Meine Heimat“ fängt genau das ein und trägt zudem eine wichtige Botschaft.

  • Ein Wort über 99 und die mehrsprachige Untertitelung eures Films?


99 hat die Übersetzung für meinen vorherigen Kurzfilm „Hilferufe aus dem Nirgendwo“ übernommen, und das hat den Film einem völlig neuen Publikum eröffnet – oder eher einer Vielzahl von Publika, die ich sonst niemals erreicht hätte.

Kurzfilme haben oft eine kurze Lebensdauer, aber ich habe festgestellt, dass die mehrsprachigen Versionen weiterleben und sogar lange nach der englischsprachigen Festivalrunde auf Festivals gezeigt werden. Vielen Dank dafür!

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